Idee und Entstehung / Entstehungsgeschichte

Inhalt:

Idee und Entstehung

Entstehungsgeschichte

Ludwig II., seit 1864 König von Bayern, richtete im Mai 1868 folgende Zeilen an den von ihm verehrten Richard Wagner:

 

Bild: Schloss Hohenschwangau

Auf Schloss Hohenschwangau (im Bild rechts)
verbrachte Ludwig II. seine Kindheit.
Foto: Anton Brandl

"Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen, und muss Ihnen gestehen, dass ich mich sehr darauf freue, dort einst (in 3 Jahren) zu hausen; mehrere Gastzimmer, von wo man eine herrliche Aussicht genießt auf den hehren Säuling, die Gebirge Tirols und weithin in die Ebene, sollen wohnlich und anheimelnd dort eingerichtet werden; Sie kennen Ihn, den angebeteten Gast, den ich dort beherbergen möchte; der Punkt ist einer der schönsten, die zu finden sind, heilig und unnahbar, ein würdiger Tempel für den göttlichen Freund, durch den einzig Heil und wahrer Segen der Welt erblühte.

Auch Reminiszenzen aus 'Tannhäuser' (Sängersaal mit Aussicht auf die Burg im Hintergrunde), aus 'Lohengrin' (Burghof, offener Gang, Weg zur Kapelle) werden Sie dort finden; in jeder Beziehung schöner und wohnlicher wird diese Burg werden als das untere Hohenschwangau, das jährlich durch die Prosa meiner Mutter entweiht wird; sie werden sich rächen, die entweihten Götter, und oben weilen bei Uns auf steiler Höh, umweht von Himmelsluft."

Fast alle Aspekte seines Neuschwanstein sind hier genannt. Unerwähnt aber blieb der politische Auslöser: 1866 hatte Bayern im Bündnis mit Österreich einen Krieg gegen das expandierende Preußen verloren. Bayern wurde ein "Schutz- und Trutzbündnis" aufgezwungen, das dem König im Kriegsfalle die Verfügung über seine Armee nahm. Damit war Ludwig II. seit 1866 kein souveräner Herrscher mehr. Diese Einschränkung war das größte Unglück seines Lebens. 1867 begann er die Planungen für ein eigenes Reich, in dem er sich als wirklicher König fühlen und bewegen konnte: seine Schlösser.

 

"Schöner und wohnlicher als das untere Hohenschwangau"

 

 

Bild: Pöllatschlucht mit Marienbrücke

Majolika-Schwan, Schloss Neuschwanstein
Foto: www.kreativ-instinkt.de

Kronprinz Maximilian II. von Bayern, Ludwigs Vater, hatte das baufällige Schloss Hohenschwangau ab 1832 im "gothischen Styl" restaurieren lassen. Die romantische Gebirgslandschaft prägte den jungen Ludwig, der das Sommerschloss zu einem seiner Lieblingsaufenthalte erkor.

Hohenschwangau war mit Szenen aus mittelalterlichen Legenden und Dichtungen ausgemalt, darunter der vom Schwanenritter Lohengrin. Ludwig identifizierte sich schon in seiner Jugend mit jenem Lohengrin, dem Richard Wagner 1850 eine Romantische Oper gewidmet hatte.

Der Schwan war zugleich das Wappentier der Grafen von Schwangau, als deren Nachfolger sich der König sah. Schon Maximilian II. hatte den Schwan zu einem Leitmotiv von Hohenschwangau erhoben. So verband sich hier idealistische Mittelalterverehrung mit konkreter örtlicher Überlieferung.

 

 

Bild: Marienbrücke über der Pöllatschlucht

Die Marienbrücke über der Pöllatschlucht
Foto: www.kreativ-instinkt

"Der Punkt ist einer der schönsten, die zu finden sind"

 

Schon Maximilian II. hatte in der Umgebung von Hohenschwangau Wege und Aussichtspunkte anlegen lassen, um die Landschaft genießen zu können.

Als Geburtstagsgeschenk für seine bergsteigende Gemahlin Marie ließ er in den 1840er Jahren die "Marienbrücke" hoch über der Pöllatschlucht errichten.

Von dem schmalen Bergrücken links der Pöllat, "Jugend" genannt, bot sich eine einzigartige Aussicht auf Berge und Seen. Maximilian II. liebte diesen Platz und plante 1855 dort einen Aussichtspavillon. Kronprinz Ludwig war oft auf der "Jugend" gewesen.

 

 

Bild: Ansicht einer Burganlage, Federzeichnung

Ansicht einer Burganlage nach der Wartburg
bei Eisenach, Federzeichnung, wohl 1867
Foto: Bayerische Schlösserverwaltung

"Im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen"

Auf der "Jugend" lagen die Reste zweier kleiner Burgen: Vorder- und Hinterhohenschwangau. Hier plante Ludwig II. seine "Neue Burg Hohenschwangau" (die Bezeichnung "Neuschwanstein" entstand erst nach dem Tode des Königs). Sie sollte eine bessere Illusion einer idealen mittelalterlichen Burg geben als Hohenschwangau. Entscheidend dabei war die Idee der Vollendung: Der "Wiederaufbau" sollte stilreiner sein und ausgestattet mit allen modernen technischen Errungenschaften.

1867 besuchte Ludwig II. die eben "wiederaufgebaute" Wartburg. Dort begeisterte ihn besonders der Sängersaal, vermeintlich der Ort des legendären "Sängerkrieges". Die Wartburg und ihr Saal wurden Leitmotive der "Neuen Burg". Der Architekt Eduard Riedel musste daneben Vorstellungen aus Bühnenbildern verarbeiten, die der Münchner Theatermaler Christian Jank entwickelte.

 

"Dort einst (in 3 Jahren) zu hausen"

Die Erwartungen an einen raschen Baufortschritt wurden nicht erfüllt. Das Projekt war zu umfangreich und die Baustelle auf dem Berg schwierig. Bühnenbildner, Architekten und Kunsthandwerker sorgten für die Umsetzung der präzisen Vorstellungen des Königs. Dessen rücksichtslose Terminvorgaben waren teilweise nur in verzweifelter Tag- und Nachtarbeit einzuhalten.

Grundsteinlegung zur "Neuen Burg" war am 5. September 1869. Als Erstes wurde 1873 der Torbau fertiggestellt, in dem Ludwig II. jahrelang wohnte. Erst 1880 war Richtfest für den Palas, der 1884 bezogen werden konnte.

 

Bild: Torbau

Ansicht des Torbaus, historische Aufnahme
Foto: Bayerische Schlösserverwaltung

Mit fortschreitender Menschenscheu und wachsendem Anspruch an die Königswürde änderte Ludwig II. das Bauprogramm. Statt der einst vorgesehenen Gästezimmer wurde ein "Maurischer Saal" mit Springbrunnen geplant, aber nicht mehr gebaut. Aus dem "Schreibzimmer" wurde ab 1880 eine kleine Grotte.

Das bescheidene "Audienzzimmer" verwandelte sich in einen riesigen Thronsaal. Dieser war nicht mehr für Audienzen bestimmt, sondern als Denkmal des Königtums und als Abbild der sagenhaften Gralshalle. Um diesen Saal in den schon errichteten Palas einfügen zu können, bedurfte es hochmoderner Stahlkonstruktionen.

Im Westteil des Palas sollte ein "Ritterbad" eingebaut werden als Reminiszenz an das rituelle Bad der Gralsritter. Dort führt heute eine Besuchertreppe hinunter zum Ausgang.


 
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